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    21.01.2019

    Nichtigkeit einer Schiedsgutachterabrede über Organhaftungsansprüche des Vorstands


    OLG München (23. Zivilsenat), Urteil vom 09.08.2018 23 U 1669/17

     

    Dass eine (geschädigte) Aktiengesellschaft gem. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen kann, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt, ist allseits bekannt bzw. gesetzlich normiert.

     

    Mit Urteil vom 9. August 2018 hat das OLG München (Az. 23 U 1669/17) nunmehr u.a. entschieden, dass auch die Vereinbarung eines bindenden Schiedsgutachtens über Organhaftungsansprüche des Vorstands gem. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unwirksam sein kann. Eine solche Vereinbarung kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs abgeschlossen werden.

     

    Nach Auffassung des OLG München erfasst § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht nur direkte Verzichts- oder Vergleichsabreden, sondern auch Rechtsgeschäfte mit vergleichbaren wirtschaftlichen Folgen, also solche, die wirtschaftlich einen Teilverzicht darstellen. Darunter fallen nach Auffassung des OLG München aus den folgenden Gründen auch Vereinbarungen bindender Schiedsgutachten über Organhaftungsansprüche:

     

    • Die Schiedsgutachtervereinbarung hat vergleichbare wirtschaftliche Folgen wie ein Vergleich oder ein Verzicht.

    • Sie führt dazu, dass eine vor Vorliegen des Gutachtens erhobene Klage als derzeit unbegründet abzuweisen wäre.

    • Zumal das Schiedsgutachten zwischen den Parteien Bindungswirkung entfalten würde, hätte es faktisch Einfluss auf die Höhe etwaiger Schadensersatzansprüche.

    • Schadensersatzansprüche wären sogar ganz ausgeschlossen, wenn die Schiedsgutachter (hier Wirtschaftsprüfer) entsprechend entscheiden, selbst wenn sie damit objektiv falsch lägen

     

    Zu beachten ist dabei insbesondere, dass Schiedsgutachterabreden, die einmal nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unwirksam sind, dies auch nach Ablauf der Dreijahresfrist bleiben. Sie können nicht nachträglich genehmigt werden.

     

    Die Entscheidung hat insoweit Praxisrelevanz, als dass immer mehr Konflikte nicht mehr vor staatlichen Gerichten, sondern vor Schiedsgerichten ausgetragen werden. Auch im Bereich der Organhaftung sind dahingehend vermehrt Bestrebungen – meist seitens der Versicherer – zu erkennen.

     

    Wenn Sie noch mehr Hintergrundinformationen haben möchten, können Sie sich gerne an Dr. Florian Weichselgärtner wenden.

     

     

     

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