Bundesarbeitsgericht vom 20. Februar 2018 – 1 ABR 53/16
Ein Arbeitgeber ist nach einer Betriebsübernahme nicht zur Fortführung der dort bestehenden Vergütungsordnung verpflichtet, sofern die Vergütungsordnung eines von ihm geschlossenen Haustarifvertrags nach dessen Geltungsbereich auch in diesem Betrieb unmittelbar und zwingend anwendbar ist.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Fachkrankenhaus. Sie schloss mit der zuständigen Gewerkschaft einen sog. Haustarifvertrag. Dieser gilt als Sondertarifvertrag nur zwischen dem einzelnen Unternehmen und der zuständigen Gewerkschaft. Nach dessen letzter Änderung aus dem Jahr 2012 sollte er für alle Beschäftigten des „Klinikums“ gelten. Ein Jahr später erwarb die Arbeitgeberin im Wege eines Betriebsübergangs ein Allgemeinkrankenhaus in unmittelbarer Nähe. Für die dortigen Arbeitnehmer galt ein mit derselben Gewerkschaft geschlossener Haustarifvertrag aus dem Jahr 2007. Nach erfolgtem Betriebsübergang wandte die Arbeitgeberin den ihrerseits mit der Gewerkschaft geschlossenen Haustarifvertrag auf alle Beschäftigten und somit auch auf die Beschäftigten des Allgemeinkrankenhauses an. Dies stimmte sie nicht mit dem dort bestehenden Betriebsrat ab. Der Betriebsrat sah sich hierdurch in seinem Mitbestimmungsrecht zur betrieblichen Lohngestaltung nach § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG verletzt. Er war der Ansicht, die Arbeitgeberin hätte auf die Mitarbeiter des Allgemeinkrankenhauses weiterhin den dort geschlossenen Haustarifvertrag anwenden müssen.
Das BAG sah dies anders. Der Betriebsrat habe zwar grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Änderung eines betrieblichen Vergütungssystems. Dieses Mitbestimmungsrecht könne aber durch den gesetzlich geregelten Tarifvorbehalt ausgeschlossen sein. Ein solcher Ausschluss liege nach § 87 Absatz 1 Eingangshalbsatz BetrVG vor, wenn eine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, die eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit zwingend und abschließend inhaltlich regelt. Dafür reiche bereits die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, ohne dass diese Tarifgebundenheit zugleich bei den betriebszugehörigen Arbeitnehmern vorliegen müsse. Folglich müsse ein Betriebserwerber, der an einen von ihm geschlossenen Haustarifvertrag unmittelbar und zwingend gebunden ist, sich auch an diesen Haustarifvertrag inklusive dessen Vergütungsordnung halten, sofern der Geltungsbereich dieses Tarifvertrags auch den erworbenen Betrieb erfasst. Dies sei vorliegend durch den maßgebenden Begriff „Klinikum“ der Fall. Hierunter sei ein (Groß-) Krankenhaus zu verstehen, in dem mehrere Kliniken unter einheitlicher Leitung zusammengefasst seien. Der Tarifvertrag gelte dementsprechend auch für das übernommene Allgemeinkrankenhaus.
Die Rechtsprechung bestätigt die grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers, bei einem Betriebserwerb die im erworbenen Betrieb bestehende Vergütungsordnung fortzuführen. Eine Ausnahme hiervon soll nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber bereits einen unmittelbar und zwingend geltenden Haustarifvertrag mit der zuständigen Gewerkschaft abgeschlossen hat und dieser Haustarifvertrag auch die Arbeitnehmer des erworbenen Betriebs umfasst. Aufgrund des Tarifvorbehalts ist der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet, eine Einigung über die Anwendung dieses Tarifvertrags mit dem Betriebsrat eines dazu erworbenen Betriebs zu erzielen. Vielmehr darf der bereits ausgehandelte Tarifvertrag mit der darin enthaltenen Vergütungsordnung ohne Mitbestimmung des Betriebsrats auf den neu erworbenen Betrieb angewendet werden. Eine Ausnahme von der Ausnahme besteht bei Tarifverträgen, die gerade betriebliche Regelungen mit dem Betriebsrat vorsehen.
Dementsprechend muss in jedem Einzelfall durch Auslegung der einschlägigen tariflichen Normen geprüft werden, ob das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG im Geltungsbereich eines Haustarifvertrags aufgrund des Tarifvorbehalts gesperrt ist.
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