Ihre
Suche

    07.12.2015

    Korruptionsbekämpfung 2.0: Deutschland verschärft Kampf gegen (internationale) Korruption


    Am 26. November 2015 ist das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption in Kraft getreten. Die Neuregelung stellt die umfangreichste Reform des Korruptionsstrafrechts seit 1997 dar und führt zugleich zu einer erheblichen Verschärfung der Korruptionsstrafbarkeit. Unternehmen sollten daher ihre Compliance-Regelungen überprüfen und anpassen.   Ziel der Reform ist die Umsetzung internationaler und europäischer Übereinkommen zur Bekämpfung grenzüberschreitender und internationaler Korruption. Maßgebliche Änderungen bringt die Neuregelung  

     

    • bei der Erweiterung des Tatbestands der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr um die Tatvariante des „Geschäftsherrenmodells“;
    • im Umgang mit EU-Amtsträgern und
    • bei der Ausweitung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts bei Bestechung im Ausland.

     

      Einführung des „Geschäftsherrenmodells“   Der Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr erfasst fortan nicht mehr nur die unlautere Bevorzugung eines Vorteilsgebers im Wettbewerb. Strafbar ist nun auch die bloße Pflichtverletzung eines Angestellten oder Beauftragten gegenüber seinem Arbeitgeber bzw. Geschäftsherren als Gegenleistung für eine Zuwendung, soweit sie ohne Einwilligung des Unternehmens erfolgt. Die Neuregelung ordnet für entsprechende Verstöße bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe an. In besonders schweren Fällen drohen sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Dadurch soll der Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten erweitert werden.   Unternehmen werden zum Gesetzgeber   Im Fokus der neuen Tatvariante steht demnach das Pflichtenprogramm von Angestellten und Beauftragten gegenüber ihren Arbeit- bzw. Auftraggebern. Der Pflichtenkatalog ergibt sich zum einen aus gesetzlichen Vorschriften, zum anderen aus (arbeits-) vertraglichen Vereinbarungen. Dies hat zugleich einen bemerkenswerten Effekt: Die Strafbarkeit eines Verhaltens wird künftig durch unternehmensinterne Regeln (mit-)bestimmt. Unternehmen werden damit quasi zum „Gesetzgeber“; sie haben es jetzt grundsätzlich selbst in der Hand, durch eigene Regeln für mehr oder weniger Strafrecht in ihrem Betrieb zu sorgen.   Nicht jede Pflichtverletzung ist strafbar   Unklar ist allerdings noch, welche Pflichtverletzungen von der neuen Tatvariante erfasst werden. Allein die Annahme eines Vorteils oder das Verschweigen der Zuwendung gegenüber dem Geschäftsherrn reicht für eine Verwirklichung des neuen Tatbestandes nicht aus. Der in der Annahme eines Vorteils liegende Verstoß gegen Compliance-Vorschriften des Unternehmens ist daher nicht per se strafbar. Ebenfalls nicht erfasst sein sollen rein innerbetriebliche Störungen. Wer für ein Geschenk gegen Pausenregelungen verstößt oder eine interne Weisung des Chefs nicht befolgt, macht sich damit auch zukünftig nicht gleich strafbar. Relevant sein sollen vielmehr nur Verstöße gegen Plichten, die im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen stehen. Strafbar ist es danach etwa, wenn sich ein Mitarbeiter dafür „schmieren“ lässt, dass er einen Konkurrenten des nicht bei einer Ausschreibung beteiligten Vorteilsgebers unter Verletzung interner Vorschriften bei der Ausschreibung unberücksichtigt lässt.   Über das Ziel hinaus geschossen?   Da jedoch auch mit der Einschränkung auf Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen noch zahlreiche Fälle von der neuen Tatvariante erfasst werden, die nicht strafwürdig erscheinen, war das Geschäftsherrenmodell bereits während des Gesetzgebungsverfahrens heftig umstritten. Sachverständige und Rechtswissenschaftler haben deshalb bereits zahlreiche einschränkende Lesarten der neuen Vorschrift ins Spiel gebracht. Restriktive Interpretationen des neuen Tatbestands sind zu begrüßen. Ohne weitere Einschränkungen wäre nun z. B. ein Lieferwagenfahrer strafbar, der arbeitsvertraglich dazu verpflichtet ist, mit seinem Dienstfahrzeug sorgsam umzugehen und insbesondere keine scharfkantigen Bordsteine zu überqueren, wenn er sich regelmäßig zum Essen einladen lässt, damit er – unter Überquerung eines scharfkantigen Bordsteins – mit seinem Lieferwagen direkt zum Hintereingang eines Restaurants fährt, um so ein bequemes Ein- und Ausladen durch die Restaurantmitarbeiter zu ermöglichen. Dieses Verhalten mag arbeitsrechtlich relevant sein, scheint jedoch nicht strafwürdig.   Es bleibt abzuwarten, wie der neue Tatbestand von Gerichten und Staatsanwaltschaften tatsächlich angewendet werden wird. Bis zu ersten klärenden gerichtlichen Entscheidungen könnte allerdings noch viel Zeit ins Land gehen, da davon auszugehen ist, dass zunächst viele Fälle von den Staatsanwaltschaften eingestellt werden.   To-do: Unternehmensinterne Vorschriften überprüfen   Mit Blick auf die Einführung des Geschäftsherrenmodels gilt es, umgehend die unternehmensinternen Regeln auf Risiken im Zusammenhang mit der neuen Pflichtwidrigkeitsvariante hin zu überprüfen und anzupassen. Dies ist bereits zum Schutz der eigenen Mitarbeiter geboten. Hierfür spricht außerdem, dass mit etwaigen Ermittlungen im Unternehmen wegen Bestechungsvorwürfen regelmäßig ein erheblicher Reputationsverlust einhergeht und im „korruptionsnahen“ Kontext das erhöhte Risiko von Zufallsfunden besteht. In manchen überregulierten Betrieben könnte in diesem Zusammenhang zudem ein Perspektivwechsel hilfreich sein: Welche Pflichtenkataloge sind vor dem Hintergrund der Neuregelung wirklich noch notwendig? Im besten Fall könnte die Reform damit aus Compliance-Gesichtspunkten zu einer Kehrtwende führen, hin zu einer internen Deregulierung bestimmter Bereiche.   Internationale Bekämpfung der Amtsträgerkorruption   Wesentliche Änderungen bringt die Reform auch im Bereich der Amtsträgerbestechung. Europäische und internationale Amtsträger sind nationalen Beamten nun weitestgehend gleichgestellt. Zugleich wird der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts im Zusammenhang mit der Bestechung von Amtsträgern massiv erweitert. Steht auf Geber- oder Nehmerseite ein Deutscher, ist deutsches Korruptionsstrafrecht nun auf der ganzen Welt anwendbar.   „Klimapflege“ gegenüber europäischen Amtsträgern strafbar   Bei Zuwendungen an europäische Amtsträger ist fortan große Zurückhaltung geboten. Neben der Bestechung ist durch die Neu-regelung nun auch die sog. „Klimapflege“, also die bloße Vorteilsgewährung im Sinne einer Zuwendung für eine pflichtgemäße Dienstausübung, gegenüber europäischen Amtsträgern strafbar. Geschenke oder andere Vorteile, die einem guten zwischenmenschlichen Verhältnis dienen und allgemeines Wohlwollen von Seiten der Beamten fördern sollen, können schnell eine Korruptionsstrafbarkeit begründen.   Auf europäischer Ebene ebenfalls nicht mehr zulässig sind zudem sog. „Beschleunigungszahlungen“, also beispielsweise Zahlungen zur beschleunigten, aber ansonsten ordnungsgemäßen Bearbeitung eines Antrags.   Vorsicht ist in diesem Zusammenhang auch deshalb geboten, weil der Begriff des europäischen Amtsträgers sehr weit gefasst ist. Neben Mitgliedern der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des europäischen Rechnungshofs und sämtlichen Beamten der EU sind auch Personen erfasst, die (nur) von der EU beauftragt sind.   To-do: Neue Prozesse für Umgang mit EU-Amtsträgern   Mit Blick auf die Änderungen im Zusammenhang mit EU-Amtsträgern sind aus Compliance-Gesichtspunkten dringend neue Prozesse für Lobbyarbeit auf europäischer Ebene notwendig. Um Risiken zu vermeiden, sollten hier sehr enge Wertgrenzen für Zuwendungen festgelegt bzw. insgesamt ein äußerst restriktiver Umgang im Zusammenhang mit Amtsträgern festgeschrieben werden. Zudem sollten Mitarbeiter dahingehend sensibilisiert werden, dass bereits die Wahrnehmung von Aufgaben der EU aufgrund eines Auftrags die europäische Amtsträgereigenschaft begründen kann.   Deutsches Korruptionsstrafrecht gilt auf der ganzen Welt Sofern eine Zuwendung für eine künftige Diensthandlung erfolgt, sind neben europäischen Amtsträgern darüber hinaus jetzt auch Beamte außerhalb der EU vom deutschen Korruptionsstrafrecht erfasst. Aus welchem Grund ein Beamter im Ausland „geschmiert“ wird, ist dabei gleichgültig. Die Zuwendung muss also nicht wie bislang bei Auslandssachverhalten darauf gerichtet sein, einen „unbilligen Vorteil im internationalen geschäftlichen Verkehr“ zu erlangen. Vielmehr ist jetzt jede Vorteilsgewährung eines Deutschen für eine zukünftige Diensthandlung eines Beamten im Ausland nach deutschem Recht strafbar. Da zugleich das Strafanwendungsrecht ausgedehnt wurde, müssen Staatsanwaltschaften jetzt jeden Deutschen nach deutschem Strafrecht verfolgen, der im Ausland einen Beamten „schmiert“: Ob das im Wirtschaftsleben oder in einem rein touristischen Kontext geschieht, interessiert dabei nicht.   To-do: Review von Auslandssachverhalten   Sinnvoll erscheint vor diesem Hintergrund ein Review von Auslandssachverhalten ohne Verbindung zum „internationalen geschäftlichen Verkehr“. Gegebenenfalls sind in diesem Zusammenhang auch ergänzende Prozesse und Hinweise für Expatriates notwendig. Zudem sind ausländische Regional Compliance Officer sachgerecht einzubinden. Ebenso sollten deutsche Geschäftsführer bezüglich der Neuregelung sensibilisiert werden. Die Reform ist schließlich ein guter Anlass, um (erneut) über einen „Zero Tolerance“-Ansatz beim Umgang mit Bestechung nachzudenken, denn Straftaten für das Unternehmen lohnen sich regelmäßig nicht.   Graubereich – angemessene Zuwendungen   Ein Graubereich besteht bei geringwertigen Zuwendungen. Grundsätzlich bleiben zwar auch gegenüber ausländischen Beamten angemessene Zuwendungen weiterhin straffrei, es wird sich jedoch erst zeigen müssen, wie das bereits auf nationaler Ebene schwer fassbare Merkmal der „Sozialadäquanz“ auf europäischer bzw. internationaler Ebene zu bestimmen ist. Klar ist aber auch: Ganz geringwertige Vorteile im „Cent-Bereich“, die keinen Gegenwertcharakter haben, wie etwa ein einfacher Plastik-Werbekugelschreiber, können auch weiterhin straffrei verschenkt werden.   To-do: Angleichung von Standards   Aus Compliance-Gesichtspunkten sind damit interne Regelungen zum Umgang mit Zuwendungen an ausländische Amtsträger weitgehend an nationale Standards anzugleichen. Die Reform bringt zugleich eine Angleichung an internationale Antikorruptions-Standards wie etwa den amerikanischen Foreign Corrupt Practices Act. Grenzüberschreitend tätige und aufgestellte Unternehmen können hier Synergieeffekte mitnehmen.     Weitergehende Informationen zur Reform des Korruptionsstrafrechts und dessen Auswirkung auf die Compliance-Praxis können Sie dem Fachaufsatz von Jörg Bielefeld und Dr. Lenard Wengenroth im Compliance-Berater 10/2015 entnehmen. Den Beitrag können Sie hier kostenfrei abrufen.   Bei Fragen zum Thema kontaktieren Sie bitte: Jörg Bielefeld Dr. Lenard Wengenroth