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    11.06.2017

    Kopftuch als Einstellungshindernis?


    Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 9. Februar 2017 – 14 Sa 1038/16  

     

    Sachverhalt

     

    Das Land Berlin suchte Lehrer für offene Stellen an Grundschulen. Die Klägerin bewarb sich auf eine der Stellen und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Dabei wurde sie gefragt, ob sie beabsichtige, das Kopftuch auch während des Unterrichts zu tragen. Sie bejahte dies. Die Bewerbung wurde abgelehnt. Die Bewerberin klagte vor dem Arbeitsgericht und forderte eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung auf Grund der Religion nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Arbeitsgericht wies die Klage mit dem Hinweis auf das „Berliner Neutralitätsgesetz” ab. Danach ist es in öffentlichen Schulen verboten, religiös geprägte Kleidungsstücke zu tragen. Daraufhin legte die Bewerberin Berufung ein.  

     

    Die Entscheidung

     

    Das LAG sprach der Bewerberin eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern, vorliegend ca. 8.500,00 EUR, zu. Zur Begründung führte es aus, dass eine Benachteiligung wegen der Religion im Sinne des AGG vorliege und ein Anspruch auf Entschädigung gegeben sei. Das Land Berlin könne sich auch nicht auf die Regelung im Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Das Gesetz sei im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung vom 27. Januar 2015 − 1 BvR 471/10 und vom 18. Oktober 2016 – 1 BvR 354/11) auszulegen. Ein generelles Kopftuchverbot sei jedenfalls nur dann zulässig, wenn vom Kopftuch als religiösem Symbol eine konkrete Gefahr ausgehe. Dies könne beispielsweise der Fall sein, wenn der Schulfriede gestört sei. Für eine konkrete Gefährdung hatte das Land Berlin aber keine Tatsachen vortragen können. Ein allgemeines Verbot des Tragens eines Kopftuchs sei wegen der überragenden Bedeutung der Religionsfreiheit jedenfalls nicht zulässig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat das LAG die Revision zugelassen.  

     

    Konsequenzen für die Praxis

     

    Das Urteil schreibt die lange Liste gerichtlicher Entscheidungen im Bereich von Diskriminierungen wegen der Religion fort. Mit einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu diesem Themenbereich bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigt sich der Beitrag von Leon Wolters. Im öffentlichen Dienst muss als Rechtfertigung für ein generelles Verbot des Kopftuchtragens stets eine konkrete Gefahr gegeben sein, die im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung selbstverständlich darzulegen und zu beweisen ist. Gesetzliche Bestimmungen, die abstrakte Verbote zulassen, sind verfassungsgemäß auszulegen oder unter Umständen sogar verfassungswidrig.  

     

    Praxistipp

     

    Stellenausschreibungen, Bewerbungsverfahren und Bewerbungsgespräche können für Arbeitgeber schadensträchtige Bereiche sein. Gemäß § 22 AGG greift im Streitfall sogar eine Beweislastumkehr zu Gunsten eines vermeintlich benachteiligten Bewerbers, wenn dieser Indizien für eine Diskriminierung beweisen kann. Die Beweislastumkehr hat für den Arbeitgeber zur Folge, dass er darlegen und beweisen muss, dass eben keine Diskriminierung vorlag. Dies kann selbst bei objektiv ordnungsgemäßen Verfahren erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereiten, wenn keine ausreichende Dokumentation vorhanden ist. Wichtig für Arbeitgeber ist deshalb eine gründliche Vorbereitung, genaue Durchführung und ordnungsgemäße Dokumentation rund um ein Bewerbungsverfahren. Bestehende Arbeitsabläufe im Unternehmen sollten regelmäßig kritisch geprüft und bei Bedarf angepasst werden.   Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Martin Biebl.