Wird eine der DRK-Schwesternschaft angehörende Schwester von dieser in einem von einem Dritten betriebenen Krankenhaus eingesetzt, um dort nach dessen Weisung gegen Entgelt tätig zu sein, handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Februar 2017 – Az. 1 ABR 62/12
Das Gestellungsmodell des Deutschen Roten Kreuzes ("DRK") ist im Markt bekannt: Eine Krankenschwester wird Mitglied eines DRK-Vereins. Sie erbringt ihre Krankenpflegeleistungen in einem Krankenhaus, das einem anderen Rechtsträger gehört. Grundlage hierfür ist traditionell ein sog. Gestellungsvertrag zwischen DRK und Krankenhaus. Für die Gestellung erhält das DRK ein sog. Gestellungsentgelt, aus dem u.a. die Vergütungen der Schwestern bezahlt werden. Oft sind Schwestern jahrzehntelang in demselben Krankenhaus tätig. Was offensichtlich nach Arbeitnehmerüberlassung aussieht, wurde vom Bundesarbeitsgericht ("BAG") stets mit folgendem Argument verteidigt: Die Schwestern seien keine Arbeitnehmerinnen, vielmehr erbrächten sie durch ihre Arbeit eine am Gemeinwohl orientierte Leistung, die letztlich nur einen Mitgliedsbeitrag für den DRK-Verein darstellt. Diese Konstruktion sei von den Krankenschwestern und dem DRK freiwillig gewählt und es gäbe keine Rechtsgrundlage im deutschen Recht, um sie zwingend zu Arbeitnehmerinnen zu machen. Dann sei aber auch das AÜG nicht anwendbar. Hieran hat es seit Jahren Kritik gegeben, die nun in der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ("EuGH") vom 17. November 2016 (C-216/15) und der hieraufhin ergangenen Entscheidung des BAG mündete. Im konkreten Fall verweigerte der Betriebsrat eines Krankenhauses seine Zustimmung zu der Einstellung einer Krankenschwester. Er machte geltend, es handele sich um eine verbotene, weil dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung. Das Bundesarbeitsgericht hat den EuGH um Vorabentscheidung ersucht. Hintergrund hierzu ist, dass der Arbeitnehmerbegriff des AÜG unionsrechtlich geprägt ist.
Der EuGH hat auf die Vorlagefrage des BAG geantwortet, dass die sog. Leiharbeitsrichtlinie der Union in solchen Fällen auch DRK-Schwestern erfasse. Der EuGH hat damit den Kritikern Recht gegeben, die immer schon von einer Arbeitnehmerüberlassung in Gestellungsverhältnissen ausgegangen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bestehe das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringe, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhielte. Aus der Richtlinie ergäbe sich außerdem, dass sie nicht nur auf diejenigen Arbeitnehmer Anwendung fände, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen hätten, sondern auch auf diejenigen, die mit einem solchen Unternehmen ein „Beschäftigungsverhältnis“ eingegangen seien. Die im Streitfall einzustellende Rotkreuz-Schwester sei nicht allein deshalb vom Arbeitnehmerbegriff im Sinne dieser Richtlinie ausgeschlossen, weil ihr nach deutschem Recht nicht die Arbeitnehmereigenschaft zukäme. Eine Beschränkung des Arbeitnehmerbegriffs auf Personen, die nach nationalem Recht unter diesen Begriff fielen, könnte die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie - Schutz der Leiharbeitnehmer und Verbesserung der Qualität der Leiharbeit - gefährden und folglich die praktische Wirksamkeit der Richtlinie durch eine übermäßige und ungerechtfertigte Einschränkung ihres Anwendungsbereichs beeinträchtigen. Die Schwesternschaft biete nach Auffassung des EuGH mit der Gestellung gegen Gestellungsentgelt eine wirtschaftliche Dienstleistung im Sinne der Richtlinie an. Im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH hat das BAG den Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Der Betriebsrat habe die Zustimmung zu Recht verweigert. Nach gebotener unionsrechtskonformer Auslegung handele es sich bei der Gestellung von DRK-Schwestern um Arbeitnehmerüberlassung.
Der Entscheidung des BAG kommt eine grundsätzliche Bedeutung zu, da hiermit dem Geschäftsmodell der Gestellung von DRK-Schwestern eine Absage erteilt wird. Rotkreuzschwestern sind als Leiharbeitnehmerinnen mit allen daraus resultierenden rechtlichen Folgen einzuordnen. Nach der Reform des AÜG zum 1. April 2017 ist auch eine bloße Vorratserlaubnis nutzlos geworden und die Überlassungsdauer strikt auf 18 Monate begrenzt worden. Deshalb haben die DRK-Schwestern in Gestellungsverhältnissen in der Regel einen Anspruch auf Aufnahme im Entleiherbetrieb, meist einem Krankenhaus. Aufgrund der Brisanz der Entscheidung für das Gesundheitswesen wird derzeit vom Bundesarbeitsministerium und DRK ein Weg zum Erhalt des bisherigen Schwesternschaftmodells gesucht. Hiernach soll das AÜG zwar auf die DRK-Schwestern Anwendung finden, nicht jedoch die ab dem 1. April 2017 geltende Befristung von Einsätzen auf 18 Monate.
Die Gestellungsverträge haben meist sehr lange Kündigungsfristen, können aber nach entsprechender Vertragsprüfung ggfs. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgelöst werden. Arbeitgeber sollten erwägen, den Schwestern ein Übernahmeangebot zu machen, zumal das AÜG entsprechende Übernahmeansprüche ohnehin vorsieht. Bei Übernahmen kann es Schwierigkeiten geben, da die Altersversorgung der DRK-Schwestern über eine Pensionskasse des DRK geregelt ist, zu der ein Träger außerhalb des DRK idR keine Beiträge leisten darf. Alternative Konstruktionen zum Verbleib der Schwestern beim DRK ohne Verletzung des AÜG sind rechtlich gestaltbar und bereits entwickelt. Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Frau Julia Alexandra Schütte. Dieser Beitrag ist bereits im Branchendienst CAR€ Invest, Nr. 7/2017, erschienen.