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    14.11.2018

    Jahresende – Verfall von (nicht gestelltem) Urlaub?


    Das Jahr 2018 neigt sich dem Ende zu. In großen Schritten geht es auf Weihnachten und Silvester zu. Wie immer gibt es im „Jahresendgeschäft“ noch sehr viel zu tun. Wie immer stellt sich auch dieses Jahr die Frage, was mit nicht genommenem Urlaub am Ende des Kalenderjahres und am Ende des Arbeitsverhältnisses passiert. Aus meiner Praxis kenne ich viele unterschiedliche Regelungen und Handhabungen in Unternehmen. Doch wie sieht eigentlich die gesetzliche Regelung aus? Zur Klarheit haben die Urteile des EuGH vom 06. November 2018 (C-619/16 und C-684/16) beigetragen.

     

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der EuGH hat in den Urteilen vom 06. November 2018 entschieden, dass der Urlaubsan-spruch wegen nicht gestelltem Urlaubsantrag nicht automatisch verfällt. Geklagt hat ein Ex-Rechtsreferendar, der beim Land Berlin seinen juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte (C-619/16). Der Ex-Rechtsreferendar nahm in den letzten Monaten keinen bezahlten Jahresurlaub und beantrage eine finanzielle Abgeltung für die nicht genommenen Urlaubsta-ge. Geklagt hatte auch ein früherer Max-Planck-Mitarbeiter (C-684/16). Er wurde zwei Monate vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses gebeten, seinen Resturlaub zu nehmen. Er nahm jedoch nur zwei Urlaubstage und beantragte im Übrigen die finanzielle Abgeltung für nicht genommene Urlaubstage. Wie sieht also die Rechtslage zum Thema Urlaub, Kalenderjahr, Verfall, Übertragung und finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus?

     

    Grundsatz: Urlaub im Kalenderjahr nehmen

     

    Der Urlaub entsteht jeweils für ein Kalenderjahr. Nach dem Bundesurlaubsgesetz beträgt der „gesetzliche“ Urlaub bei einer 5-Tage-Woche mindestens 20 Werktage (vier Wochen). Üblich ist in Deutschland, dass dieser gesetzliche Urlaub auf das Kalenderjahr bezogen vertraglich auf fünf bis sechs Wochen ausgedehnt wird. Der Urlaub dient der Erholung und damit dem Gesundheitsschutz. Zum Zeitpunkt des Urlaubs regelt § 7 BUrlG, dass

     

    • bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind,
    • der Urlaub zusammenhängend zu gewähren ist oder
    • einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfasst und
    • der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss.

     

    Übertragung des Urlaubs

     

    Der – nicht genommene – Urlaub erlischt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres. Diese Regelung bezweckt, dass der Urlaub nicht massenhaft angespart wird, sondern im Kalenderjahr gewährt und genommen wird, um den Erholungs- und Gesundheitszweck zu erfüllen. In der Praxis ist es jedoch üblich, dass Urlaub übertragen wird. Das Bundesurlaubsgesetz kennt drei Gründe, nach denen Urlaub am Jahresende kraft Gesetzes übertragen wird:

     

    • Übertragung des Urlaubs bis zum 31. März des Folgejahres aus dringenden betrieblichen Gründen,
    • Übertragung des Urlaubs am Jahresende bis zum 31. März des Folgejahres aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers,
    • Übertragung des Teilurlaubsanspruchs nach § 5 Abs. 1 a BUrlG bis zum 31. März des Folgejahres, auf Verlangen des Arbeitnehmers bis zum 31. Dezember des Folgejahres.

     

    Dringende betriebliche Belange bedeuten, dass der Urlaubsanspruch nicht gewährt werden kann, da anderenfalls die Arbeit im Betrieb nicht erledigt werden kann, wie dies häufig bei stark erhöhtem Arbeitsanfall am Jahresende oder bei Personalengpässen aufgrund von Krankheit oder sonstigen Ausfällen anderer Mitarbeiter der Fall ist. Persönliche Gründe liegen insbesondere bei einer andauernden Erkrankung des Arbeitnehmers vor. Die Krankheit geht dem Urlaub vor, so dass bei dauerhafter Erkrankung der Urlaub nicht genommen werden kann. Nach § 5 Abs. 1 BUrlG entstandener Teilurlaubsanspruch meint den Urlaub, der während den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses entsteht und aufgrund der Teilurlaubsregelung nur anteilig vom Arbeitnehmer genommen werden kann. Soweit einer der Gründe vorliegt, verfällt der „Resturlaub“ nicht am 31. Dezember des Kalenderjahres, sondern wird kraft Gesetzes automatisch auf das folgende Kalenderjahr – gegebenenfalls bis zum 31. März des Folgejahres – übertragen.

     

    Finanzielle Abgeltung des Urlaubs

     

    Eine finanzielle Abgeltung von Urlaub oder Resturlaub ist grundsätzlich unzulässig. Der Urlaubszweck (Erholung und Gesundheitsschutz) soll nicht gefährdet werden. Arbeitnehmer sollen davor geschützt werden, für eine zusätzliche Vergütung ihren Urlaub „zu verkaufen“. Urlaub ist jedoch dann finanziell abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG), wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Außer bei fristlosen Kündigungen oder bei dauerhaften Erkrankungen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit, den bestehenden Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzubauen. Vorausgesetzt, der Arbeitgeber „genehmigt“ den Urlaub. Wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat, stellt sich die Frage, ob der Urlaubs- und der Urlaubsabgeltungsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen. Diese Frage musste der EuGH in den Urteilen vom 06. November 2018 entscheiden. Nach der Rechtsprechung des EuGH verlieren Arbeitnehmer ihren Anspruch auf eine finanzielle Abgeltung für den nicht genommenen Urlaub mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht allein deswegen, weil der Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder in dem Kalenderjahr keinen Urlaub beantragt hat. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat, wenn er – obwohl es sowohl dem Arbeitnehmer persönlich als auch im Betrieb grundsätzlich möglich gewesen wäre – keinen Urlaub beantragt hat. Etwas anderes kann nach der Aussage des EuGH jedoch dann gelten, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber durch eine angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die bestehenden Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Hierfür ist jedoch der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet. Begründet wird dies damit, dass der Arbeitnehmer die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses sei

     

    Praxistipp

     

    Der EuGH führt weiter aus, dass der Verfall des Urlaubs und des finanziellen Abgeltungsanspruchs rechtlich zulässig sei, wenn der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage auf den bezahlten Jahresurlaub verzichtet haben. Arbeitgeber haben damit zu dokumentieren und nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer Kenntnis über den bestehenden Resturlaub hatte, Kenntnis davon hatte, dass er bezahlten Jahresurlaub nehmen kann und Kenntnis davon hatte, dass der Arbeitgeber ihm auch Urlaub gewähren würde.

     

    Einen schönen „Resturlaub“ bzw. einen klaren Blick bei der Übertragung oder dem Verfall von Urlaub.

     

    Fragen zu diesem Thema beantwortet Dr. Erik Schmid gerne.

     

    Hinweis: Dieser Blog-Beitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid im HJR-Verlag erschienen.