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    30.09.2014

    Inlandsauswirkungen und Fusionskontrolle: Bundeskartellamt veröffentlicht neues Merkblatt


    Ein neues Merkblatt des Bundeskartellamts zu Inlandsauswirkungen in der Fusionskontrolle soll die Entscheidung, ob ein im Ausland vollzogener Zusammenschluss auch in Deutschland anzumelden ist, erleichtern.   Unternehmenskäufe und die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen (GUs) unterliegen der deutschen Fusionskontrolle, wenn bestimmte Umsatzschwellen erreicht werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Transaktionen, die im Ausland stattfinden. Fusionsanmeldungen verursachen Zeit- und Kostenaufwand und beeinflussen den Zeitplan einer Transaktion. Deshalb ist bei Transaktionen mit Auslandsbezug stets die Frage der Inlandsauswirkungen zu prüfen. Selbst wenn die deutschen Umsatzschwellenwerte erreicht werden, ist ein Zusammenschluss nämlich nicht anmeldepflichtig, wenn er keine Auswirkungen in Deuschland hat. Die hoheitlichen Befugnisse des Bundeskartellamts enden an der Staatsgrenze, das ist Ausdruck des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips. Doch das Merkmal der Inlandsauswirkung ist unbestimmt und hat in der Praxis immer wieder zu Auslegungsproblemen geführt. Gegebenenfalls wirft es komplexere Fragen auf als die wettbewerbliche Bewertung des Zusammenschlusses selbst. Das drängt Unternehmen in Zweifelsfällen zur Fusionsanmeldung. Denn ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot hat die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Vollzugsgeschäfts und im schlimmsten Fall Bußgelder zur Folge. Um die Transaktion nicht zu gefährden, ist unternehmerische Vorsicht geboten!   Das neue Merkblatt soll einige der bisherigen Zweifel ausräumen. Es unterscheidet drei Konstellationen, nämlich Fälle mit Inlandsauswirkungen (I), Fälle ohne Inlandsauswirkungen (II) und Fälle der Einzelfallprüfung (III):   In Fallgruppe (I) mit Inlandsauswirkungen ist eine Anmeldung in jedem Fall erforderlich. Hierunter fallen – erstens – Zusammenschlüsse mit nur zwei Beteiligten (Zielunternehmen und Erwerber), sofern die deutschen Umsatzschwellenwerte erreicht werden, das Zielunternehmen also in Deutschland über EUR 5 Mio. erwirtschaftet hat; hierunter fällt – zweitens – der Erwerb der gemeinsamen Kontrolle durch mehr als zwei Beteiligte über ein bereits bestehendes GU, sofern es in Deutschland Umsätze von über EUR 5 Mio. erzielt hat.  

     

    Fallgruppe (II) beschreibt einen sog. "safe harbour", in dem für Unternehmen keine Anmeldepflicht besteht. Hierunter fallen nur Konstellationen mit mehr als zwei Parteien, also GUs. Zudem muss es sich um ein reines Auslands-GU ohne (aktuelle bzw. potenzielle) Tätigkeiten auf einem deutschen Inlandsmarkt handeln. Schließlich dürfen vom Erwerb bzw. der Neugründung des Auslands-GU keinerlei "spill-over"-Effekte auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Muttergesellschaften des GU ausgehen. Das ist gemäß neuem Merkblatt der Fall, wenn nicht mehrere Muttergesellschaften im Inland (aktuell bzw. potenziell) auf demselben Produktmarkt wie das GU im Ausland tätig sind und wenn nicht mehrere Muttergesellschaften (aktuell) auf einem dem Produktmarkt des Auslands-GUs vor- oder nachgelagerten Inlandsmarkt tätig sind. Das ist auch der Fall, wenn zwar mehrere Muttergesellschaften im Inland auf demselben Produktmarkt bzw. einem dem Produktmarkt des Auslands-GUs vor- oder nachgelagerten Märkten tätig sind, ihr gemeinsamer Marktanteil jedoch 20 Prozent nicht überschreitet.   Fallgruppe (III) betrifft alle übrigen Fälle von GUs mit Auslandsbezug. Als Graubereich bedürfen diese Konstellationen einer eingehenden Prüfung. Außerdem empfielt das Bundeskartellamt, Fragen der Inlandsauswirkung bereits vorab im Wege informeller Kontakte mit der zuständigen Beschlussabteilung zu klären. Bei Restzweifeln sollte unter Beachtung unternehmerischer Sorgfalt angemeldet werden. Insbesondere wettbewerblich unproblematische Fälle werden innerhalb eines Monats, manchmal auch deutlich schneller, freigegeben. Die Anmeldegebühren fallen erfahrungsgemäß ebenfalls geringer aus. Selbst unvollständige Anmeldungen werden nach Bekundung des Amtes akzeptiert, wenn die Unternehmen aufgrund ausländischer Rechtsvorschriften oder anderer Umstände an einer rechtzeitigen Beschaffung vor Vollzug gehindert sind und dies glaubhaft belegen können.  

     

    Fazit: ungeachtet einiger Kritikpunkte im Detail liegt der Nutzen des Merkblatts darin, erstmals einen – wenn auch kleinen – "safe harbour" zu definieren, in dem Unternehmen trotz Überschreitens der deutschen Umsatzschwellen nicht anmelden müssen. Das Merkmal bindet zwar nur das Bundeskartellamt, nicht die deutschen Gerichte, ihm wird jedoch genau wie den Leitlinien der Kommission faktisch eine erhebliche Bedeutung bei Auslegung des Gesetzes zukommen. Eine vergleichbare Regelung existiert auf EU-Ebene bisher nicht. Deutschland sollte als Vorreiter darauf hinwirken, dass auch die EU-Kommission entgegen ihrer bisherigen Praxis die Auswirkungen eines Zusammenschlusses im Europäischen Wirtschaftsraum überprüft. Bedauerlicherweise verbleibt, wie bisher, ein großer Graubereich, in dem Inlandsauswirkungen der Einzelfallprüfung bedürfen und Zusammenschlüsse im Zweifel anzumelden sind. Zumindest in wettbewerblich unproblematischen Fällen bemüht sich das Amt erfahrungsgemäß um eine Straffung des Verfahrens.   Bei Fragen zu diesem Thema, kontaktieren Sie bitte: philipp.cotta@bblaw.com heiner.mecklenburg@bblaw.com