Eine individualvertraglich vereinbarte Vergütung, die sich an einem Tarifvertrag orientiert, kann nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers durch Betriebsvereinbarung abgeändert werden.
Der Arbeitnehmer ist seit 1991 als Masseur in einem Senioren- und Pflegezentrum tätig. Die Beschäftigung, die mit dem Rechtsvorgänger des Arbeitgebers begann, fand ihre Grundlage im Arbeitsvertrag von 1991 sowie in einer Zusatzvereinbarung dazu, wonach die Arbeitszeit reduziert wurde. In dieser Vereinbarung wurde auf den damaligen Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) sowie eine konkrete Vergütungsgruppe hingewiesen. 1993 schlossen der Rechtsvorgänger des Arbeitgebers und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Danach sollten die Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages (BAT aus dem Jahr 1961) für alle in den Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer gelten. Weiterhin wurde vereinbart, dass diese Bestimmungen automatisch Bestandteil der Arbeitsverträge der betroffenen Arbeitnehmer werden sollten sowie, dass sie einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag erhalten sollten. Dieser Nachtrag wurde zwischen dem Rechtsvorgänger des Arbeitgebers und dem Arbeitnehmer im März 1993 unterzeichnet.
Der Arbeitgeber kündigte im Jahr 2001 die Betriebsvereinbarung. Im März 2006 vereinbarten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Arbeitszeiterhöhung, dass das Gehalt der Stelle, die mit 0,78 bewertet wurde, angepasst und erhöht wird. Die weiteren Bestandteile des Arbeitsvertrags sollten unverändert anwendbar sein. Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, dass ihm aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme die Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst entsprechend dem TVöD/VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) zustehe bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass keine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes vorliege.
Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hatte die Revision des Arbeitnehmers Erfolg. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ihn entsprechend der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA zu vergüten. Begründet wurde dies damit, dass der Arbeitnehmer und der Rechtsvorgänger des Arbeitgebers die Vergütung nach den jeweils geltenden Regelungen des BAT und nachfolgenden TVöD/VKA im Arbeitsvertrag vereinbart hatten. Die 1993 abgeschlossene Betriebsvereinbarung kann dem nicht entgegenstehen, denn die vertragliche Vergütungsabrede ist keine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern eine individuell ausgehandelte Hauptleistungspflicht. Es kam auf die durch die Vorinstanz aufgeworfene Frage der grundsätzlichen Betriebsvereinbarungsoffenheit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gar nicht an.
Die Entscheidung ist konsequent und steht, obwohl dies auf den ersten Blick vermeintlich nicht der Fall zu sein scheint, im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung. In vorausgegangenen BAG-Entscheidungen hat das Gericht stets die Betriebsvereinbarungsoffenheit als ausreichend angesehen, um durch Betriebsvereinbarung auch zum Nachteil des Arbeitsnehmers von Gesamtzusagen sowie betrieblicher Übung, also individualrechtlichen Ansprüchen abweichen zu können. Betriebsvereinbarungsoffen sollen nach diesem Verständnis aber auch Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen sein. Deutlich wurde allerdings auch, dass Voraussetzung dafür stets die Einordnung einer Abrede als Allgemeine Geschäftsbedingung ist. Die gesetzliche AGB-Kontrolle erfasst nur Nebenpflichten und gerade nicht Hauptleistungspflichten. Hätte das BAG daher nun anders entschieden, wäre dieser allgemeine Grundsatz außer Kraft gesetzt worden und sämtliche Hauptleistungspflichten müssten auf Angemessenheit hin geprüft werden. Dennoch bleibt die vollständige Begründung der Entscheidung abzuwarten, um sicher beurteilen zu können, ob und wie sich der vierte Senat mit der Rechtsprechung des ersten Senats aus dem Jahr 2013 auseinandersetzt. Arbeitgeber können daher das Instrument der ablösenden Betriebsvereinbarung weiter nutzen, nicht jedoch, um Hauptleistungspflichten oder individuelle Vereinbarungen zu ändern. Dafür steht weiterhin nur der Änderungsvertrag bzw. die Änderungskündigung zur Verfügung.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Dr. Kathrin Bürger und Martin Biebl.