Ihre
Suche

    11.09.2018

    Dienstkleidung – Vergütung für Umkleidezeiten?


    Es gibt viele Gründe für Dienstkleidung. Das einheitliche und gepflegte Auftreten im Verkaufsbereich, Schutzkleidung in der Produktion, auffällige Farben für die Sicherheit (z.B. beim Straßenbau), Uniform bei Polizisten, hygienische bzw. desinfizierte Kleidung beim OP-Personal, einheitlicher Auftritt aus Marketinggründen mit Firmenschriftzug etc. Der Arbeitgeber ist berechtigt, Dienstkleidung gemäß des Direktionsrechts anzuordnen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Umkleidezeiten mit der Dienstkleidung zu vergütende Arbeitszeit ist.

     

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Frage, ob Umkleidezeiten vom Arbeitgeber zu vergüten sind, ist immer wieder Gegenstad von Entscheidungen. Es geht dabei – ums Geld. Bei ca. 220 Arbeitstagen eines Arbeitnehmers im Kalenderjahr (abzüglich Wochenende, abzüglich Feiertage, abzüglich Urlaub) wäre bei 10 Minuten Umkleidezeit pro Arbeitstag über 36 Stunden des Arbeitnehmers im Kalenderjahr für Umkleidezeiten zu vergüten. Bei einem Mindestlohn in Höhe von EUR 8,84 in der Stunde wäre dies eine Bruttovergütung im Kalenderjahr von ca. EUR 320,00.

     

    Grundsatz

     

    Soweit im Arbeitsvertrag, der Betriebsvereinbarung oder des anzuwendenden Tarifvertrags hierzu nichts geregelt ist, sind Zeiten des Umkleidens in der Regel keine Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers, für die der Arbeitgeber eine Vergütung schuldet (BAG vom 11.10.2000 – 5 AZR 122/99). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die zu vergütende Arbeit des Arbeitnehmers jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Das Umkleiden dient nur dann einem fremden Bedürfnis des Arbeitgebers, wenn sie nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllt.

     

    Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung, die zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann, ist nicht lediglich fremdnützig. Die dafür aufgewendete Zeit ist keine Arbeitszeit, die vom Arbeitgeber zu vergüten wäre. Etwas anderes gilt dann, wenn die Dienstkleidung notwendig im Betrieb angelegt werden muss, dort nach Beendigung der Tätigkeit zu verbleiben hat und der Arbeitnehmer arbeitsschutzrechtlich ohne diese die Arbeit gar nicht aufnehmen darf. In diesem Fall dient das Umkleiden nicht einem eigenen Bedürfnis des Arbeitnehmers, sondern vorwiegend dem Bedürfnis des Arbeitgebers.

     

    Beispiele aus der Rechtsprechung

     

    Umkleidezeiten wurden von der Rechtsprechung nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit angesehen, beispielsweise bei

     

    • Arbeitnehmer einer privaten Müllentsorgung und Containerdienste (BAG vom 11.10.2000 – 5 AZR 122/99),
    • Köchen (BAG vom 22.03.1995 – 5 AZR 934/93),
    • Service-Mitarbeiter in einer Autowaschstraße (LAG Schleswig-Holstein vom 28.11.2006 – 5 Sa 271/06),
    • Fahrer für Spezialfahrzeuge eines Kanal- und Rohrreinigungsunternehmens (LAG Köln vom 03.05.1996 – 11 Sa 42/96).

     

    Ausnahme: Umkleidezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit

     

    Ausnahmsweise werden Umkleidezeiten vorgeschriebener Dienstkleidung als Arbeitszeit angesehen, wenn die Kleidung besonders auffällig ist und deshalb nicht bereits auf dem Arbeitsweg getragen werden braucht (BAG vom 10.11.2009 – 1 ABR 54/08). Die Ausnahme wird damit begründet, dass das Umkleiden einem fremden Bedürfnis des Arbeitgebers dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Gegenstand der Entscheidung war die Pflicht, Dienstkleidung in den Farben blau/gelb mit festgelegter Form, Farbe, Schnitt und Material sowie der Aufschrift des Arbeitgebers (IKEA) zu tragen.

     

    Das BAG sieht auch die Umkleidezeiten eines Krankenpflegers in der Entscheidung vom 06.09.2017 (5 AZR 382/16) als vergütungspflichtige Arbeitszeit an. Nach Ansicht des BAG liege eine besonders auffällige Dienstkleidung nicht nur bei besonderer farblicher Gestaltung oder dem Aufweisen von Namenszügen vor, sondern auch dann, wenn die Ausgestaltung der Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht werden kann. Bei der Dienstkleidung mit der Farbe Weiß lässt dies auf die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu einem Heil- oder Pflegeberuf schließen.

     

    Abdingbarkeit der Pflicht zur Vergütung von Umkleidezeiten

     

    Nach einem aktuelleren Urteil des BAG vom 25.04.2018 (5 AZR 245/17) kann die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten bei auffälliger Dienstkleidung abbedungen werden. Durch Tarifvertrag kann die Pflicht zur Vergütung von Umkleidezeiten abbedungen werden, auch wenn das An- und Ablegen der Dienstkleidung vergütungspflichtige Arbeit ist. Das BAG verlangt allerdings eine hinreichend klare Regelung im Tarifvertrag.

     

    Bei Einführung von auffälliger Dienstkleidung ist deshalb zu berücksichtigen, dass Umkleidezeiten möglicherweise zu vergüten sind oder dass diese Vergütungspflicht abbedungen werden kann.

     

    Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Dr. Erik Schmid.

     

    Hinweis: Dieser Blogbeitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid im HJR-Verlag erschienen.