Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 nach längerem Hin und Her das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beschlossen.
Der Entwurf für ein deutsches Lieferkettengesetz (aka Sorgfaltspflichtengesetz) war spätestens seit Februar 2021 in aller Munde. Nach monatelangem Ringen hatte sich die Bundesregierung zunächst auf einen Kompromiss zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette geeinigt und am 3. März 2021 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt. Hierüber berichteten wir im Februar und März in unseren Blog-Beiträgen „Jetzt doch: Nationales Lieferkettengesetz kommt!“ und „Lieferkettengesetz: RegE, FAQ und EU“. Diskutiert wurde über den Gesetzentwurf jedoch auch danach weiterhin heftig. So heftig, dass der Entwurf nach erster Lesung im Bundestag im April und Befassung des Bundesrats Anfang Mai kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestages genommen und wieder an die Ausschüsse verwiesen wurde.
Am Ende wurde nun doch noch vor dem Ende der Legislaturperiode ein finaler Kompromiss gefunden. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales hat dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Lieferkettengesetz (BT-Drs. 19/28649) am 9. Juni 2021 in geänderter Fassung zugestimmt, und zwar mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Bundestag hat dem geänderten Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/30505) am 11. Juni 2021 zugestimmt.
Die wesentlichsten Änderungen stellen wir nachfolgend kurz dar. Dazu gehört auch, dass der Name des Gesetzes noch einmal abgeändert wurde und nun final feststeht: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, oder kurz: LkSG. Das beschreibt den Inhalt des Gesetzes nun etwas treffender.
Das LkSG in a nutshell
Das LkSG zielt laut Bundesregierung darauf ab, die internationale Menschenrechtslage durch eine verantwortungsvolle Gestaltung der Lieferketten in Deutschland ansässiger Unternehmen zu verbessern. Es nimmt insbesondere auf die UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte Bezug, in denen rechtlich nicht bindende Sorgfaltspflichten auf dem Gebiet der Menschenrechte verankert sind. Im Zuge der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte sei deutlich geworden, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreicht, damit Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt angemessen nachkommen. Deshalb, so die Bundesregierung weiter, sei eine gesetzliche Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten mit behördlichen Durchsetzungsmechanismen geboten.
Das LkSG soll daher festlegen, was Unternehmen tun müssen, um ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachzukommen, und wo die Grenzen ihrer Handlungspflicht liegen. Verletzungen menschenrechtlich geschützter Rechtspositionen würden für viele Unternehmen schon heute ein unkalkulierbares Reputationsrisiko darstellen. Viele Unternehmen seien daher bereits aktiv geworden. Aufgrund fehlender staatlicher Vorgaben seien die Anforderungen, die die Unternehmen an ihre Lieferanten weitergeben, allerdings sehr unterschiedlich. Daher bestehe politischer Handlungsbedarf, ordnend einzugreifen und einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen.
Die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten der Unternehmen sollen sich grundsätzlich auf die gesamte Lieferkette erstrecken, allerdings abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Vorrangig ist daher die Umsetzung der Sorgfaltspflichten im eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber unmittelbaren Zulieferern. Mittelbare Zulieferer sollen zusätzlich einzelfallabhängig einbezogen werden, sobald das Unternehmen über substanzielle Kenntnisse von Menschenrechtsverletzungen bzw. diesbezüglichen Risiken auf dieser Ebene verfügt. Grundsätzlich umfassen die Sorgfaltspflichten die Durchführung einer menschenrechtlichen Risikoanalyse, die Ergreifung von Präventions- und gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen, die Einrichtung von Beschwerdemöglichkeiten und die Berichterstattung über ihre Aktivitäten.
Das Gesetz soll ab 1. Januar 2023 für Unternehmen mit 3.000 Beschäftigten und ab 1. Januar 2024 für Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten gelten.
Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf
Neben der Änderung des Namens enthält das nunmehr vom Bundestag beschlossene LkSG eine ganze Reihe klarstellende, aber auch einige inhaltliche Änderungen:
- Geändert wurde zunächst der Geltungsbereich des Gesetzes (§ 1 LkSG): Zum einen wurde klargestellt, dass die Arbeitnehmerzahl grundsätzlich nur anhand der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer errechnet wird. Ergänzt wurde, dass in die Mitarbeiterzahl auch ins Ausland entsandte Beschäftigte mit einbezogen werden. Zudem wird das LkSG über die in Deutschland ansässigen Unternehmen hinaus nunmehr auch für ausländische Unternehmen mit einer Zweigniederlassung in Deutschland (vgl. § 13d HGB) gelten, sofern sie im Inland mehr als 3.000 (bzw. ab 2024 1.000) Arbeitnehmer beschäftigen.
- Für Konzerne ist ergänzend relevant: Mit Blick auf die Zurechnung von Mitarbeitern innerhalb verbundener Unternehmen bei der Obergesellschaft gemäß § 1 Abs. 3 LkSG wurde in § 2 Abs. 6 LkSG ein neuer Satz eingefügt. Hiernach zählen zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft auch konzernangehörige Gesellschaften, wenn die Obergesellschaft auf sie einen bestimmenden Einfluss ausübt.
- In die Liste der in § 2 Abs. 3 (bisher Abs. 4) LkSG genannten umweltbezogenen Verbote wurde neben dem Stockholmer Übereinkommen und dem Minamata-Übereinkommen das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung aufgenommen.
- Die im politischen Einigungsprozess wohl wichtigste Änderung betrifft die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen. Hierzu findet sich eine Regelung in dem neu eingefügten § 3 Abs. 3 LkSG, die wie folgt lautet: „Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung. Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt.“
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales führt dazu aus: „Der Regierungsentwurf eines Sorgfaltspflichtengesetzes wurde mit dem Ziel und der Vorstellung beschlossen, gegenüber der geltenden Rechtslage keine zusätzlichen zivilrechtlichen Haftungsrisiken für Unternehmen zu schaffen. Die zum Zwecke einer Verbesserung der Menschenrechtslage in internationalen Lieferketten begründeten neuen Sorgfaltspflichten sollen vielmehr im Verwaltungsverfahren und mit Mitteln des Ordnungswidrigkeitsrechts durchgesetzt und sanktioniert werden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf § 823 Absatz 2 BGB klarzustellen. Soweit unabhängig von den neu geschaffenen Sorgfaltspflichten bereits nach der geltenden Rechtslage eine zivilrechtliche Haftung begründet ist, soll diese jedoch unverändert fortbestehen und in besonders schwerwiegenden Fällen in ihrer Durchsetzung erleichtert werden.“ [Hervorhebungen durch die Verfasser]
Unter welchen Voraussetzungen nach der geltenden Rechtslage eine zivilrechtliche Haftung besteht, ist freilich ungewiss und überdies von dem jeweils anwendbaren nationalen Recht abhängig. Daher ist auch fraglich, ob mit der nunmehr eingefügten Regelung tatsächlich wie von der CDU/CSU-Fraktion beschrieben „Rechtsklarheit geschaffen“ wird. Zum Nachdenken veranlasst auch der ergänzende Hinweis in diesem Zusammenhang: „Dass eine zivilrechtliche Haftung nicht zum Erfolg führe, zeige das Beispiel Frankreich, wo diese zwar gesetzlich vorgesehen sei, es aber so gut wie keine Gerichtsprozesse gebe.“
- Für das Gesamtverständnis des neuen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichtenprogramms außerordentlich hilfreich sind die einleitenden Ausführungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu den Änderungen in § 3 Abs. 1 LkSG. Sie machen noch einmal klar, was von den betroffenen Unternehmen verlangt wird und was nicht. Daher nachfolgend im vollen Wortlaut: „Die Sorgfaltspflichten nach § 3 Absatz 1 regeln eine Due-Diligence, das heißt eine Verfahrenspflicht: Unternehmen werden nicht zur Garantie eines Erfolges verpflichtet, sondern zur Durchführung der konkreten Maßnahmen, die in § 3 Absatz 1 aufgelistet sind. Das heißt: Unternehmen haben die genannten Maßnahmen durchzuführen (z. B. die Durchführung einer Risikoanalyse) im Rahmen des konkret Machbaren und Angemessenen, nicht aber beispielsweise alle Menschenrechtsrisiken zu verhindern. Die ausdrückliche Benennung des Ziels bringt dies zum Ausdruck. In welchem Umfang die Maßnahmen durchgeführt werden müssen, ist nicht starr, sondern abhängig von verschiedenen Faktoren zu beurteilen, die in § 3 Absatz 2 aufgelistet sind. Diese bestimmen für alle Maßnahmen, was in angemessener Weise und im Rahmen dieses risikobasierten Ansatzes getan werden muss. Klar ist dabei: Von keinem Unternehmen darf etwas rechtlich und tatsächlich Unmögliches verlangt werden. Das Unternehmen hat seine Sorgfaltspflichten erfüllt, auch wenn es seine gesamte Lieferkette nicht nachverfolgen oder bestimmte Präventions- oder Abhilfemaßnahmen nicht vornehmen konnte, weil dies tatsächlich oder rechtlich unmöglich gewesen wäre: Rechtlich Unmögliches bedeutet etwa, dass es mit einem Verhalten gegen geltendes Recht verstoßen würde. Faktisch Unmögliches heißt etwa, dass ein Unternehmen aufgrund fehlender Einflussmöglichkeit (vgl. § 3 Absatz 2 Nummer 2) an seine Grenze stößt.“ [Hervorhebungen durch die Verfasser]
Die weiteren Einzelheiten des geänderten LkSG bleiben natürlich noch auszuwerten. Zu guter Letzt noch ein Ausblick: Die EU-Kommission hat für diesen Juni ebenfalls den Entwurf eines europäischen Lieferkettengesetzes angekündigt. Im Hinblick auf das LkSG ist daher bereits absehbar, dass es bei Zeiten an ein etwaiges europäisches Lieferkettengesetz anzupassen ist. Laut Gesetzgebungsmaterialien, um Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen zu verhindern… Dem Vernehmen nach soll das LkSG in der Sitzung des Bundesrats am 25. Juni 2021 final behandelt werden.
Dr. Daniel Walden
Dr. André Depping