Mit den Beschlüssen des Bundesrates am 8. Juli 2016 und der Bundesregierung am 3. August 2016 war endlich der Weg für die Novelle der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) frei. Sie wurde am 16. September 2016 im Bundesgesetzblatt verkündet.1 Damit kann ihr Kernstück, der jährliche Kapitalkostenaufschlag für Verteilernetzbetreiber, pünktlich ab der dritten Regulierungsperiode zur Anwendung kommen. Nach langem Tauziehen haben sich im Sommer 2016 Bundesregierung und Länder auf eine Reform der ARegV einigen können. Zentraler Kritikpunkt an den bisherigen Regelungen war der deutliche Zeitverzug bei der Refinanzierung von Investitionen auf der Verteilernetzebene. Die Notwendigkeit eines milliardenschweren Umbaus der dort vorhandenen Infrastruktur stand dem gegenüber außer Frage, um den Herausforderungen der Energiewende gerecht werden zu können.
a) Kapitalkostenauf- und -abschlag Zukünftig soll durch einen Aufschlag auf die Erlösobergrenze der Zeitverzug zwischen Investition und Berücksichtigung der hierfür aufzuwendenden Kapitalkosten in den Erlösobergrenzen (und damit auch in den Netzentgelten) beseitigt werden. Dieser Kapitalkostenaufschlag kann jährlich von den betroffenen Netzbetreibern beantragt werden und bedarf der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde.Im Gegenzug wird im Rahmen der Bestimmung des Ausgangsniveaus für jedes Jahr der Regulierungsperiode ein Kapitalkostenabzug ermittelt, über den der bisher zugestandene Sockeleffekt abgeschmolzen wird. Nur für von 2007 bis einschließlich 2016 aktivierte Anlagegüter wird übergangsweise noch ein Sockeleffekt in der dritten Regulierungsperiode fortgeschrieben. Die bisher für Verteilernetzbetreiber zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Genehmigung eines Erweiterungsfaktors oder von Investitionsmaßnahmen entfallen. Das vorgesehene Antragsverfahren erfordert zudem einen jährlichen Plan-Ist-Kostenabgleich, dessen Differenz nunmehr ebenfalls jährlich im Regulierungskonto saldiert und auf Antrag ausgeglichen wird. Letztlich ist mit dem Kapitalkostenaufschlag daher ein doppeltes Antragsverfahren verbunden. b) Effizienzbonus Neu eingeführt wird ferner ein Effizienzbonus mit dem Ziel, Anreize für innovative und langfristig effizienzsteigernde Investitionen zu setzen. Der dafür ermittelte Supereffizienzwert ist mit 5 Prozent gedeckelt. Der Effizienzbonus wird über die gesamte Regulierungsperiode verteilt. Die Dauer einer Regulierungsperiode beträgt weiter fünf Jahre. Nach Intervention des Bundesrates sind auch zukünftig Ineffizienzen über die Dauer der gesamten Regulierungsperiode abzubauen. Die von der Bundesregierung beschlossen Verkürzung der Zeitschiene wurde von den Ländern abgelehnt. c) Neuer Stichtag für Berücksichtigung von Personalzusatzkosten Praktisch und wirtschaftlich von Bedeutung ist zudem, dass der bislang geregelte Stichtag für die Berücksichtigung von Personalzusatzkosten aus betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile vom 31. Dezember 2008 auf den 31. Dezember 2016 verschoben wird. Zwar wurden im Bundesrat in dieser Hinsicht einige Verschärfungen diskutiert, letztlich aber nicht beschlossen.
Für Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreiber wird das bisherige System im Wesentlichen fortgeführt. Für neu beantragte Investitionsmaßnahmen wird künftig allerdings vorgegeben, wie ein eventuell zu berücksichtigender Ersatzanteil projektspezifisch zu ermitteln ist. Bisher führte häufig der Umstand, dass ein Ersatzanteil nur schwer zu erfassen war, zu der umstrittenen Regulierungspraxis, dass eine Umstrukturierungsinvestition verneint und der Antrag wegen Vorliegens einer Ersatzinvestition ganz abgelehnt wurde.
Ob über die Systematik eines genehmigten Kapitalkostenaufschlags bei Berücksichtigung eines Kapitalkostenabzugs tatsächlich die Investitionstätigkeit angereizt wird, hängt wohl stark von der individuellen Situation des jeweiligen Netzbetreibers ab. Bei Investitionen, die über den kalkulatorischen Abschreibungen liegen, ist ein positiver Effekt für die Erlösobergrenzen zu erwarten. Insbesondere für Stromnetzbetreiber, die von dem Erfordernis eines Netzumbaus besonders stark betroffen sind oder sich bisher wegen des Zeitverzugs mit Investitionen eher zurückgehalten haben, wird von der Novelle ein Investitionsanreiz ausgehen. Im Bereich der Gasversorgungsnetze dürfte eine Anreizwirkung eher beschränkt sein, da zum einen die Netzanlagen häufig jünger sind als im Strombereich und damit weniger Erneuerungsbedarf besteht, zum anderen Gasverteilernetze von dem energiewendebedingten Netzumbau weniger stark betroffen sind. Trotz der neu eingeführten Anlage 3 zur Berechnung des Kapitalkostenaufschlags sind zudem viele praktische Details ungeklärt, wie beispielsweise der Umgang mit Anlagen im Bau oder die Quotelung unter Berücksichtigung des Herausfallens von Altanlagen einerseits und der Fortführung des Sockeleffekts für 2007 bis 2016 aktivierte Anlagegüter andererseits. Ob der Effizienzbonus tatsächlich einen Anreiz zu innovativen und langfristig effizienzsteigernden Investitionen bietet, darf allerdings bei der vorgesehenen Deckelung bei 5 Prozent mit guten Gründen bezweifelt werden. Verteilt auf die Dauer der Regulierungsperiode von fünf Jahren berechnet, liegt dem Bonus jährlich ein Supereffizienzwert von maximal 1 Prozent zugrunde. Zudem bergen die Abschaffung der Pflichtparameter im Effizienzvergleichsverfahren und die zukünftige Berücksichtigung konstanter Skalenerträge insbesondere für kleinere Netzbetreiber weitere Unwägbarkeiten.
Es wird sich in den kommenden Jahren zeigen, ob der notwendige Umbau der Verteilernetze im Zuge der Energiewende mit der Novelle der ARegV zügig vorankommt. Neben aller Kritik ist im Ergebnis jedenfalls festzuhalten, dass mit der Novelle das Investitionshemmnis „Zeitverzug“ für Verteilernetzbetreiber beseitigt worden ist. Der Erfolg der Novelle mit Blick auf die zukünftige Investitionstätigkeit hängt im Übrigen nicht allein von den Änderungen der ARegV ab. Die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode ist in dieser Hinsicht ebenfalls von erheblicher Bedeutung. Und schließlich darf nicht außer Betracht bleiben, dass auch der generelle sektorale Produktivitätsfaktor, der ab der dritten Regulierungsperiode von der Bundesnetzagentur ermittelt wird, nicht unerheblichen Einfluss auf die Rentabilität des bereits bestehenden Anlagevermögens haben wird. In praktischer Hinsicht wird ferner von Bedeutung sein, wie schnell die beantragten Kapitalkostenaufschläge und der beantragte Ausgleich der Salden im Regulierungskonto genehmigt werden. Die gesetzliche Verpflichtung der Netzbetreiber, ihre vorläufigen Entgelte für das kommende Kalenderjahr zum 15. Oktober eines Jahres zu veröffentlichen, gilt nämlich unverändert. Die bisherigen Erfahrungen bei der Genehmigung eines Erweiterungsfaktors sollten sich daher schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht wiederholen. Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Guido Brucker.
1 BGBl. I Seite 2147.