BMF-Schreiben vom 9. Mai 2018 – BStBl. I S. 694
Factoring erfreut sich sowohl in der Form des echten wie auch des unechten Factoring bei mittelständischen Unternehmen nach wie vor großer Beliebtheit.
Für den Abtretungsempfänger birgt das Factoring das Risiko einer Haftung für die in der „eingekauften“ Forderung enthaltene Umsatzsteuer, da § 13c UStG einen umsatzsteuerlichen Haftungstatbestand zulasten des Empfängers einer abgetretenen Forderung vorsieht. Danach ist die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer vom Abtretungsempfänger zu entrichten, wenn der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat. Bezweckt wird damit die Sicherstellung der Steuererhebung. Steuerausfälle, die dadurch entstehen, dass der abtretende Unternehmer häufig finanziell nicht mehr in der Lage ist, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer zu entrichten, weil der Abtretungsempfänger die Forderung eingezogen hat, sollen so vermieden werden. Ohne die Vorschrift wäre der Abtretungsempfänger nicht verpflichtet, diese Umsatzsteuer, die zivilrechtlich Bestandteil der abgetretenen Forderung ist, an das Finanzamt abzuführen.
Die Finanzverwaltung hat bisher die Auffassung vertreten (Abschnitt 13c.1 Abs. 27 UStAE), dass grundsätzlich keine Haftung des Abtretungsempfängers in Betracht kommt, wenn der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt, aus der dieser die Umsatzsteuer hätte begleichen können. Die Finanzverwaltung wollte damit die mögliche Gefahr einer Einschränkung der Bonität kleiner und mittlerer Unternehmen verhindern.
Der BFH hat mit einer Entscheidung vom 16. Dezember 2015 die Auffassung der Finanzverwaltung jedenfalls für Fälle des echten Factoring abgelehnt. Die Entscheidung wurde zeitgleich mit dem gegenständlichen BMF-Schreiben im Bundessteuerblatt veröffentlicht und damit zwar über den Einzelfall hinaus für allgemein anwendbar erklärt. Jedoch kann die alte Rechtsauffassung weiterhin angewendet werden, so das BMF in seinem Schreiben.
Nach Ansicht des BFH ist die Haftung des Abtretungsempfängers nicht ausgeschlossen, wenn er dem Unternehmer, der ihm die Umsatzsteuer enthaltende Forderung abgetreten hat, im Rahmen des echten Factoring liquide Mittel zur Verfügung gestellt hat, aus denen dieser seine Umsatzsteuerschuld hätte begleichen können. Dies gilt nach der Rechtsprechung jedenfalls dann, wenn der Abtretungsempfänger die abgetretene, ihm genehme sowie unbestrittene und nicht zahlungsgestörte Forderung mit einem bestimmten Anteil ihres Gegenwerts vorfinanziert und den restlichen Anteil abzüglich Zinsen, Factoringkommissionen und -gebühren an den leistenden Unternehmer auskehrt. In diesem Fall kommt dem echten Factoring eine Finanzierungsfunktion zu und damit eine Haftung des Abtretungsempfängers nach § 13c UStG grundsätzlich in Betracht. Insofern wies der BFH in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass die vorgenannte Auffassung der Finanzverwaltung im Gesetz keine Grundlage findet.
In Reaktion auf die Entscheidung hat der Gesetzgeber bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2017 § 13c UStG entsprechend angepasst, sodass sich nunmehr eine gesetzliche Grundlage für die Auffassung der Finanzverwaltungsauffassung ergibt.
Im Hinblick auf die gesetzliche Regelung beanstandet die Finanzverwaltung es nunmehr auch für vor dem 1. Januar 2017 wirksam abgetretene Forderungen im Rahmen von Forderungsverkäufen, deren Gegenleistung für die Abtretung in Geld besteht, nicht, wenn sich der Haftungsschuldner auf die Anwendung der für ihn günstigeren Verwaltungsanweisung beruft.
Für den Abtretungsempfänger bleibt damit grundsätzlich alles beim Alten. Die Haftung für die Umsatzsteuer ist ausgeschlossen, wenn das abtretende Unternehmen für die Abtretung eine Gegenleistung in Geld erhält. Allerdings dürfte insofern zu berücksichtigen sein, dass der Geldbetrag auch tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt. So dürfte etwa die Einzahlung auf ein Konto, auf das auch der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs hat, nicht ausreichend sein.
Die Ausnahme findet sich für Fälle nach dem 31. Dezember 2016 ausdrücklich im Gesetz wieder. Angesichts der gesetzlichen Regelung dürfte auch die Rechtsprechung zu einem Ausschluss der Haftung gelangen. Für Fälle vor dem 1. Januar 2017 ermöglicht das BMF-Schreiben nunmehr eine Anwendung der Finanzverwaltungsauffassung im Wege der Billigkeit. Damit kann der Abtretungsempfänger sich auch für Altfälle auf die für ihn günstigere Finanzverwaltungsauffassung berufen. Allerdings ist insofern zu beachten, dass in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren die dargestellte Rechtsprechung des BFH weiterhin Anwendung finden könnte, sodass eine Haftung des Abtretungsempfängers nicht ausgeschlossen werden kann.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, steht Ihnen Benedikt Jost gerne zur Verfügung.